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Burg Rodenstein

Sagenhafte Tour in die Vergangenheit

Historische Fakten schmecken gut. Aromatischer sind Sagen und Legenden. Mündliche Überlieferungen, die reale Begebenheiten mit einer verführerischen Prise Fantasie würzen. Wie die Erzählung von dem Rodensteiner, der einst dazu verflucht wurde, im Falle eines Kriegsausbruchs aus seinem Grab zu steigen und die Menschen vor dem Ungemach zu warnen. Es war also ein gutes Zeichen, wenn sich Ritter Hans nicht blicken ließ.

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In einer Zeit, in der es mehr Kriege als Friedenstage gab, soll regelmäßig ein Geisterheer durch die Lüfte des Odenwalds bei Fränkisch-Crumbach gezogen sein. Wer heute dort mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs ist und ganz genau lauscht, hört vielleicht noch ein fernes Grollen. Früher sollen Pferdegeräusche, Schreie und Peitschenknalle die idyllische Ruhe unterbrochen haben. Auch von Hörnern und Trompetenklängen wird berichtet. Gemäß "verlässlicher Zeugenaussagen" aus den letzten 300 Jahren, soll sich der apokalyptische Zug vom Stammsitz der Rodensteiner über das Gersprenztal und gut sechs Kilometer bis zur Burg Schnellerts am gleichnamigen Berg der heutigen Gemeinde Brensbach bewegt haben. Zeitzeugen im nördlichen Odenwald bestätigen das.

Letztmals sollen die Gespenster im Jahr 1938 gewütet haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Schluss. Keine Spur mehr vom Geist des kriegslüsternen Hans, der die 1240 errichtete Burg Rodenstein bewohnte und die schwangere Gattin zwecks martialischer Gelüste im Kindbett zurückgelassen hatte. Daher der Fluch. Wer heute durch die Ruine streift, kann es vielleicht noch hören, das wilde Heer verdammter Seelen. Wie der Dichter und Romancier Werner Bergengruen, der im Sommer 1925 für einige Monate im mythischen Odenwald weilte und zahlreiche Rodensteiner Legenden zusammengetragen hat: "Schattenhände klopfen gegen die Fenster, Wolkenpferde jagen heulend über den Himmel, und ihre Hufe schlagen düsterrote Funken aus dem verhüllten Monde."

Von Reichelsheim aus gelangt man am Flüsschen Eberbach entlang durch idyllische Landschaft zur 800 Jahre alten Ruine hinauf. In Fränkisch-Crumbach erwartet den Gast die Evangelische Kirche, die angesichts der geisterhaften Mythen eine feine kulturhistorische Abwechslung bietet. Wertvolle Bildhauereien und Grabdenkmäler der Herren von Rodenstein zeugen von der herausragenden Stellung des Adelsgeschlechts im Mittelalter. Das Epitaph von Hans dem Älteren, Bauherr des gotischen Kirchenchors, gehört zu den bedeutendsten Werken der deutschen Spätgotik. Er starb 1500 in Rom. Das nach seiner Totenmaske gearbeitete Grabmal kam in die Pfarrkirche im Odenwald.

Die mit ihm verbundene Sage, und damit auch der Junker, fand 1891 sogar Eingang in die Märchen- und Sagensammlung der Brüder Grimm. Man sieht: der Odenwald ist ein märchenhaftes Terrain. Auch wenn Joseph Victor von Scheffel den wunderbaren Sagenstoff später in seinem Gedichtzyklus entromantisiert hat. Bei ihm wurde der sagenhafte Rodensteiner zu einem banalen Säufer, der nur darauf aus gewesen sein soll, gewaltige Mengen Wein zu vertilgen. Süffiger Stoff für Studentengesänge.