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Der König des Obsts – Kulturgut Apfel im Odenwald

 

Uralte Apfelsorten, sonnige Wiesen und Menschen, die voller Herzblut und Leidenschaft alles für ihr Lieblingsobst tun – denn der Apfel gilt im Odenwald als Kulturgut. Und wer schon einmal herzhaft in einen frisch gepflückten Apfel gebissen hat, der weiß: Der Apfel wird hier völlig zu Recht verehrt.

Mehrere Hundert Apfelsorten soll es im Odenwald geben – manchmal variieren sie von Ort zu Ort und ein paar Dörfer weiter kann die Lieblingssorte des Einen dem Anderen völlig unbekannt sein. Form, Schale, Kerngehäuse, jeder Apfel ist anders – und in ganz Deutschland gibt es über 4.000 verschiedene Sorten.

Dass der Odenwald mit Äpfeln gesegnet ist, ist aber kein Zufall, sondern das Ergebnis sorgsamer Pflege der Natur und des verantwortungsvollen Anbaus und Erntens. Obstbaumschnitt, Pflanzenphysiologie und Baumgesundheit – hier muss einiges beachtet werden. Besonders beliebt sind die „alten Sorten“, die aus der Zeit vor der systematischen Obstzüchtung stammen. Bei einigen lässt sich der Ursprung mindestens bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Die Sorten sind oft viel resistenter gegenüber Krankheiten – ein weiterer Vorteil neben dem vielfältigen Geschmack.
Der Apfel ist die beliebteste Obstsorte der Deutschen, rund 19 Kilo jährlich isst jeder im Schnitt. Wenn man bedenkt, dass dabei oft dieselben wenigen Sorten auf den Teller kommen, ist das schon fast langweilig. Wer die alten Sorten probieren möchte, sollte sein Glück auf einem der regionalen Wochenmärkte oder in einem der Bauernläden probieren. Typische Odenwälder Apfelsorten sind zum Beispiel Goldparmäne, Boskop, Brettacher und Winterrambour oder auch der Kalbfleischapfel, der als „Hessische Lokal- und Streuobstsorte des Jahres 2019“ ausgezeichnet wurde. Der prämierte Apfel ist auch bekannt als „Odenwälder Borsdorfer“.
Die alten Sorten sind vor allem auf den Streuobstwiesen des Odenwalds zu finden. Diese Wiesen sind besonders schützenswert, denn hier wird Obst noch traditionell und im Einklang mit der Natur angebaut: Hochstämmige Obstbäume stehen verstreut auf der Wiese, es wird ohne Pestizid- und Mineraldünger angebaut und die Wiesen werden als Weiden zum Beispiel für Schafe genutzt. Der selektive Fraß der Schafe führt dazu, dass sich eine arten- und blütenreiche Wiesenvegetation herausbildet, die vielen Tieren als Nahrungsquelle und Lebensraum dient. Die Streuobstwiesen bereichern unser Ökosystem mit selten gewordenen Pflanzen und Tieren – mehr als 3.000 Tierarten können dort leben, auch stark bedrohte Vögel wie der Steinkauz sind bevorzugt in Streuobstgebieten zu finden.
Dass es im Odenwald so viele Apfelsorten gibt, kommt natürlich auch unserem Gaumen zu Gute: Gerade die Äpfel von den Streuobstwiesen sind ideales Kelterobst für Apfelsaft und Apfelwein, denn sie sind säurehaltiger. Die Äpfel sind vom Äußeren her weniger ebenmäßig als das Tafelobst aus dem Supermarkt, aber das macht nichts – auf die inneren Werte kommt es an, Modelmaße sind hier nicht gefragt. Jetzt im Herbst herrscht bei den Keltereien Hochbetrieb und zunächst entsteht der naturtrübe Apfelsaft, dann der „Rauscher“ (ähnlich dem Federweißer beim Wein) und schließlich der beliebte „Ebbelwoi“. Und von dem könnte es dieses Jahr viel geben, denn der heiße Sommer hat für ein Rekordjahr bei der Apfelernte gesorgt, auch wenn einige Sorten durch die Hitze viel zu früh reif geworden sind. So begann die Ernte dieses Jahr nicht erst im Herbst, sondern bereits im August.