DIE AMSEL bringt Holz in Form
Das französische Doppelbett im Möbel-Atelier Amsel schaut aus, als habe es schon seit Jahrhunderten als Liegestätte gedient, und doch ist es neu. Zumindest neu geschreinert, aber Teile davon sind tatsächlich vierhundert Jahre alt. Möbel-Designer Rainer Amsel aus Wald-Michelbach hat sich dafür die Balken aus einem Odenwälder Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert gesichert, sie fachmännisch behandelt und kunstfertig verarbeitet. Amsel ist geradezu vernarrt in Holz. Daran mag er »den angenehmen Geruch und die Haptik«, also wie es sich beim Berühren anfühlt, die Bearbeitungsmöglichkeiten und dass es »ein abwechslungsreicher und nachwachsender Baustoff« ist. Mit Nussbaum, Eiche und Obsthölzern werkelt er am liebsten.
Der 1967 in Mannheim geborene und im südhessischen Gorxheimertal an der Bergstraße aufgewachsene Holzexperte nennt sein Unternehmen schlicht nach seinem Nachnamen: Die Amsel. Grammatikalisch korrekt mit femininem Artikel, und da die Amsel oder auch Schwarzdrossel ursprünglich ein Waldvogel ist, passt das prima zu Rainer Amsels Leidenschaft. Ein Tischlerpraktikum in Fürth-Kröckelbach und eine Lehre in Köln haben sein handwerkliches Know-how geschliffen. Amsels Gesellenstück war ein Musikschrank aus Odenwälder Kirschholz, an dem er damals zwei Wochen zu tun hatte.
Der Möbelmacher verwendet »fast ausschließlich« Holz aus dem Odenwald. Mit am besten ist bisweilen, was sich praktisch vor der Haustür findet: Zu seinen Lieblingsstücken zählt beispielsweise ein Kinderbett aus gesammelten Ästen, die er weitestgehend in ihrer natürlichen Form belassen und verarbeitet hat. Das vermittelt Authentizität und Abenteuerlichkeit, hat Seele und Leben, denn mit Öl behandelt kann das Holz weiterhin atmen und ist somit mehr als nur ein funktionelles Möbelstück — es erzählt auch eine Geschichte und birgt Inspiration.
Rainer Amsel entwirft und baut indes nicht nur Möbel aus zweitverwertetem Holz, er fertigt auch Stücke aus Neumaterial. Verkauft hat er seine Arbeiten bislang hauptsächlich im Umkreis von dreihundert Kilometern, ein Nussbaumtisch ging aber auch schon nach New York, und in Zukunft will er über eine Website im Internet oder gehobene Möbelläden seinen Absatz auf »unbegrenzten Radius« ausweiten. Wer Gefallen an Amsels ungewöhnlichen, vollkommen einmaligen und bisweilen urig-wilden Kreationen findet, der holt sich damit ein echtes Stück Odenwald in die eigene Hütte.
Text: Mike Seifert
Die Amsel – Rainer Amsel
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